(Wien, 27-10-2023) Eine Studie unter der Leitung der Medizinischen Universität Wien zeigt einen anhaltenden Überlebensvorteil der so genannten antiangiogenen Therapie bei einem Wiederauftreten des häufigsten bösartigen Hirntumors im Kindes- und Jugendalter.
Diese Form der Therapie hungert den Krebs aus, indem sie vor allem in die Krebsumgebung eingreift. Bisher stand für diese Patient:innen keine kurative Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. Die Studie wurde jetzt im renommierten Journal JAMA Oncology veröffentlicht.
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Andreas Peyrl, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, zur MEMMAT-Studie
Medulloblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter und für rund 20 Prozent aller Hirntumoren bei Kindern verantwortlich. In zirka einem Viertel der Fälle kommt es trotz Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie zu einem Rezidiv (Wiederauftreten) des Tumors. Für diesen seltenen Tumor gab es im Rezidiv bisher keine kurativen Therapiemöglichkeiten. Im Rezidiv ist ein Medulloblastom fast immer im Gehirn gestreut und somit keine neurochirurgische Totalresektion (komplette Entfernung) möglich, auf konventionelle Chemotherapeutika ist der Tumor resistent, eine Bestrahlung im Gehirn mit tumorwirksamer Dosis ist nur einmalig möglich. Die neue Therapie hungert den Krebs aus, indem diese vor allem in die Krebsumgebung eingreift. Patient:innen mit dieser Erkrankung hatten bis dato keine Chance auf eine heilende Behandlung.
Seit 2006 hat die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Teil des Comprehensive Cancer Centers und des Comprehensive Centers for Pediatrics von MedUni Wien und AKH Wien, diesen Patient:innen eine metronomisch antiangiogene medikamentöse Therapie verabreicht. „Die antiangiogene Therapie verhindert, dass der Tumor Blutgefäße bilden kann, die er für das weitere Wachstum benötigt. Dieser Therapieansatz im Rezidiv ist insofern attraktiv, da in erster Linie nicht der Tumor selbst angegriffen wird, sondern die Krebsumgebung, das sogenannte ,Microenvironment‘ und der Tumor sozusagen aushungert“, so Erstautor der MEMMAT-Studie Andreas Peyrl von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde.
Viertel der Patient:innen zeigt Langzeit-Überleben von mehr als fünf Jahren
Metronomisch bedeutet in diesem Zusammenhang die tägliche Einnahme der Medikation in einer niedrigen Dosierung, sodass diese Medikamente ohne Unterbrechung über einen langen Zeitraum gegeben werden können. Bei den eingesetzten Medikamenten handelt es sich entweder um niedrig dosierte Chemotherapeutika, aber auch um Medikamente aus anderen Gebieten, die etwa in der Rheumatologie oder zum Senken von Blutfetten zum Einsatz kommen. Verstärkt wird die orale und intravenöse Therapie durch intraventrikuläre Chemotherapeutika, die direkt in den Liquor, die Hirnflüssigkeit, injiziert werden. Obwohl für die Patient:innen regelmäßige Krankenhausbesuche nötig sind, handelt es sich beim untersuchten MEMMAT-Kombinationsschema um eine insgesamt gut verträgliche und ambulante Behandlung.
Die Studie, die an der MedUni Wien initiiert und finanziert, jetzt in JAMA Oncology publiziert wurde und insgesamt 40 Patient:innen im Zeitraum von 2014 bis 2021 in Österreich, Tschechien, Spanien, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen und den USA einschließt, bringt vielversprechende Ergebnisse bei Patient:innen mit zuvor bestrahltem Medulloblastom-Rezidiv. Ein Viertel der Patient:innen zeigt ein Langzeit-Überleben von mehr als fünf Jahren. Mit bisherigen Therapien gab es bei der Patient:innengruppe nur vereinzelt ein längeres Überleben. „Die Ergebnisse der Studie sind sehr erfreulich, wir können Betroffenen damit erstmalig eine aussichtsreiche Therapie anbieten“, so Andreas Peyrl. In Österreich betrifft diese seltene Form der Erkrankung ca. drei Kinder pro Jahr. Das nächste Ziel ist jetzt, diese Medikation in einer randomisierten Studie in Europa und den USA einer weiteren Bewertung zu unterziehen.
Publikation: JAMA Oncology
Sustained Survival Benefit in Recurrent Medulloblastoma by a Metronomic Antiangiogenic Regimen. A Nonrandomized Controlled Trial.
Andreas Peyrl, Monika Chocholous, Magnus Sabel, Alvaro Lassaletta, Jaroslav Sterba, Pierre Leblond, Karsten Nysom, Ingrid Torsvik, Susan N. Chi Thomas Perwein, Neil Jones, Stefan Holm, Per Nyman, Helena Mörse, Anders Öberg, Liesa Weiler-Wichtl, Ulrike Leiss, Christine Haberler, Maresa T Schmook, Lisa Mayr, Karin Dieckmann, Marcel Kool, Johannes Gojo, Amedeo A. Azizi, Nicolas André, Mark Kieran and Irene Slavc.
doi: 10.1001/jamaoncol.2023.4437