Während Stammzellen und Tumorzellen unsterblich sind, sterben alle anderen Zellen in unserem Körper langsam ab. Der Grund dafür: Der DNA Strang wird bei jeder Zellteilung etwas kürzer. Irgendwann ist es aufgrund dieser Verkürzung zu riskant für die Zelle sich zu teilen und sie stirbt. Der Schlüssel dafür liegt in der Telomerase, auch „Unendlichkeitsenzym“ bezeichnet, deren Entdecker:innen 2009 den Nobelpreis für Medizin erhalten haben. Das Enzym Telomerase bildet eine Art Schutzkappe am Ende der DNA Stränge, die bei Stamm- und Tumorzellen aktiviert ist und bei der Zellteilung (Replikation) die DNA vor der Verkürzung schützt. Somit bleibt die Reproduzierbarkeit vollständig erhalten. Normale Zellen bilden nicht genug Telomerase, die Schutzkappen werden immer kürzer und das Wachstum der Zelle wird gestoppt.
TERRA blockiert Unendlichkeitsenzym
In dieser Studie wurden 68 Patient:innen mit kolorektalem Karzinom (CRC) auf Korrelationen zwischen Telomerbiologie, Transkripten von Genen für Wachstum und fortschreitender „Streuung“ durch Krebsabsiedlung (Metastasierung) und dem Krankheitsverlauf untersucht. Das Ergebnis: Das Transkript TERRA (Telomere Repeat-enthaltende RNA) wird in den Tumoren weniger gebildet als im umgebenden gesunden Gewebe. Im Tumormodell mit künstlich erhöhter Bildung von TERRA wird das Tumorwachstum deutlich verringert. TERRA und die Telomerase-RNA-Komponente (TERC) regulieren die Telomerase-Aktivität und tragen damit zum Telomer-Gleichgewicht (Homöostase) bei, indem sie die Telomerlänge und das Merkmal der Unsterblichkeit von Krebszellen beeinflussen. TERRA kann somit verhindern, dass die Telomerase in den Tumorzellen aktiv ist und die Unsterblichkeit der Tumorzellen bewirkt. Dies ist möglich, weil die Telomerase selbst eine RNA als Enzymkomponente besitzt die durch TERRA blockiert wird.
Zusammenarbeit mit internationalen Expert:innen für Unsterblickeit der Tumorzellen
Diese Studie wurde unter der Leitung von Theoretiker Klaus Holzmann, Medical University of Vienna, Comprehensive Cancer Center Vienna, Zentrum für Krebsforschung gemeinsam mit dem Chirurgen Stefan Stättner, Klinik Favoriten, an Patient:innen mit der Diagnose Dickdarmkrebs initiiert. Die Daten wurden über einen längeren Zeitraum großteils an der Medizinischen Universität Wien erhoben und ausgewertet. Mit Hilfe von nationalen Kliniker:innen und Kolleg:innen (Tamara Braunschmid, Brigitte Marian, Wolfgang Mikulits) und in Kooperation mit internationalen Experten (Roger Reddel, Jeremy Henson und Loretta Lau aus Australien, Sarantis Gagos aus Griechenland), führend auf dem Forschungsgebiet der Unsterblichkeit von Tumorzellen, konnte diese umfangreiche Studie abgeschlossen und publiziert werden.
Ausblick
Die Daten der Studie ermöglichen weitere komplexere Forschung mit dem Ziel, die Bildung der Transkripte und das Zusammenspiel verschiedener Zelltypen im Tumor zu untersuchen, um den Wirkmechanismus zu klären. In weiteren Studien könnten diese möglichen neuen Therapeutika evaluiert und für Patient:innen mit Dickdarmkrebs zugänglich gemacht werden.
Publikation: Cellular Oncology
Titel: Telomere transcripts act as tumor suppressor and are associated with favorable prognosis in colorectal cancer with low proliferating cell nuclear antigen expression
Autor:innen: Philip Kienzl, Abigail J. Deloria, Monika Hunjadi, Juliane M. Hadolt, Max-Felix Haering, Angrit Bothien, Doris Mejri, Medina Korkut-Demirbaş, Sandra Sampl, Gerhard Weber, Christine Pirker, Severin Laengle, Tamara Braunschmid, Eleni Dragona, Brigitte Marian, Sarantis Gagos, Lingeng Lu, Jeremy D. Henson, Loretta M. S. Lau, Roger R. Reddel, Wolfgang Mikulits, Stefan Stättner & Klaus Holzmann
doi: 10.1007/s13402-024-00986-y