Lebermetastasen sind die häufigste Ursache krebsbedingter Todesfälle bei Darmkrebs. Forschenden des Comprehensive Cancer Center (CCC) der Medizinischen Universität Wien gelang es nun erstmals, bestimmte kurze RNA-Abschnitte – sogenannte tRNA-Fragmente – zu identifizieren, die zuverlässig vorhersagen können, welche Patient:innen eine günstige oder ungünstige Prognose haben. Diese tRNA-Fragmente stammen entweder aus dem Zellkern oder aus den Mitochondrien der Tumorzellen und haben überraschend gegensätzliche prognostische Wirkungen.
„Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass genomische RNA-Fragmente überwiegend auf eine schlechte Prognose hinweisen, während mitochondriale Fragmente eher eine schützende Rolle haben“, erklären Johannes Längle und Dietmar Pils von der Klinischen Abteilung für Viszeralchirurgie am CCC der MedUni Wien und des AKH Wien. Die Studie wurde nun im Top-Fachjournal „Journal of Translational Medicine“ (IF 7.5) publiziert.
tRNA-Fragmente als zuverlässige Biomarker
Das Team analysierte Tumorproben von Patient:innen mit Lebermetastasen bei Darmkrebs, die an der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie der MedUni Wien operiert wurden. Mithilfe hochmoderner Sequenzierungsmethoden (Small RNA-Sequencing) konnten unterschiedliche RNA-Fragmente identifiziert werden. tRNA-Fragmente sind kurze Abschnitte, die aus sogenannten Transport-RNAs (tRNAs) entstehen und wichtige regulatorische Funktionen in Zellen erfüllen. Diese Moleküle regulieren unter anderem Zellwachstum, Stressantwort und Immunreaktionen und spielen offenbar eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Krebs und Metastasen. Die Ergebnisse zeigen klar: Genomische Fragmente waren zu 94% mit einer schlechten Prognose assoziiert, während mitochondriale Fragmente in etwa einem Viertel der Fälle (26%) eine günstigere Prognose signalisierten.
Entscheidender Schritt zur personalisierten Krebstherapie
„Diese Fragmente könnten künftig als prognostische Marker dienen, um Patient:innen mit höherem Risiko für einen ungünstigen Verlauf frühzeitig zu erkennen“, betont Erstautorin Rebecca Zirnbauer. Besonders vielversprechend sei, dass die prognostische Aussagekraft der tRNA-Fragmente unabhängig von bereits etablierten klinischen Parametern war.
Schlüsselrolle mitochondrialer tRNA-Netzwerke
„In Netzwerkanalysen zeigte sich außerdem, dass mitochondriale RNA-Fragmente besonders stark miteinander korrelieren und gut vernetzte Cluster bilden. Welche biologischen Mechanismen hinter dieser starken Vernetzung stehen und ob sie mit den beobachteten prognostisch günstigen Effekten in Verbindung stehen, wollen wir in Folgestudien untersuchen“, so das Forschungsteam.
Publikation: Journal of Translational Medicine
Differential prognostic roles and clinical implications of mitochondrial and genomic tRNA-derived fragments in colorectal liver metastases.
Zirnbauer R, Ammon D, Renner A, Hartman N, Kalinina P, Starlinger P, Stremitzer S, Schwarz C, Kaczirek K, Bergmann M, Pils D, Laengle J.
https://doi.org/10.1186/s12967-025-06850-3