Glioblastome sind sehr aggressive Hirntumoren. In 85 Prozent der Glioblastomproben kann eine Mutation in der Promoterregion des Telomerase Gens (TERT) nachgewiesen werden. Durch diese Mutation binden spezielle Proteine (Transkriptionsfaktoren der ETS-Familie) an das Gen, aktivieren es und bewirken, dass das Enzym Telomerase vermehrt produziert wird. Telomerase macht Tumorzellen quasi unsterblich. Daniela Lötsch, Universitätsklinik für Neurochirurgie von MedUni Wien und AKH Wien sowie Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) der beiden Einrichtungen, untersucht im vom CCC geförderten Projekt, ob und wie diese TERT Promoter Mutation mit der sogenannten MAP-Kinase-Kaskade, einem Signalweg, der das Wachstum der Tumorzellen begünstigt, zusammenhängt. Sie sequenziert dafür das Genom der Tumorzellen und hofft damit, neue molekularbiologische Angriffspunkte für zielgerichtete Therapien zu finden.
PatientInnen mit Glioblastomen haben eine geringe Heilungswahrscheinlichkeit: Nach der Diagnose beträgt die Lebenszeit im Schnitt noch 20 Monate. Die Standardtherapie des Glioblastoms umfasst eine chirurgische Entfernung und anschließende Radio-Chemotherapie, präzisionsmedizinische Behandlungsansätze sind bis dato sehr rar. Lötsch und ihr Team beleuchten in ihrem Projekt daher die genetischen Ursachen der Erkrankung mit dem Ziel ihre Mechanismen besser zu verstehen und Angriffspunkte für zielgerichtete Therapien zu finden.
Chronologie der Mutationen
Im Zuge ihrer Entwicklung kommt es bei allen Tumoren zu genetischen Veränderungen in den Krebszellen, die spontan aber auch durch Einflüsse innerhalb oder außerhalb der Zellen passieren. Diese Mutationen verstärken zum Beispiel die Fähigkeit des Tumors, den plötzlichen Zelltod (Apoptose) zu umgehen. Die Apoptose ist ein Sicherheitsmechanismus, der bei gesunden Menschen dazu führt, dass sich fehlerhafte Zellen von selber töten.
Während der Entstehung des Glioblastoms kommt es meist sehr früh zu einer Veränderung im Chromosom 7, einer speziellen Region im Erbmaterial auf dem der EGF-Rezeptor (EGFR) sitzt. Der EGFR ist ein Protein, das unter anderem den MAP-Kinase-Signalweg aktiviert. Im Glioblastom ist der EGFR übermäßig ausgebildet und führt über den MAP-Kinase-Signalweg dazu, dass der Krebs besonders aggressiv ist.
Lötsch-Gojo und ihr Team haben in Voranalysen herausgefunden, dass Medikamente, die ETS Faktoren hemmen, auch dazu führen, dass nicht nur die MAP-Kinase-Kaskade und damit das Tumorwachstum gebremst, sondern auch die Aktivität der Telomerase reduziert wird. Detaillierte Sequenzierungsanalysen haben gezeigt, dass zuerst Veränderungen am Chromosom 7 und erst später im TERT-Promotor entstehen. Lötsch-Gojo: „Wir möchten in diesem Projekt klären, ob die vermehrte Ausbildung von EGFR und damit die verstärkte Aktivierung der MAP-Kinase-Kaskade verantwortlich dafür ist, dass es zu den Mutationen im TERT-Promotor kommt und dieses Wissen für die Entwicklung zielgerichteter Therapien nützen.“
Neue Ansätze
Um diese Frage zu klären, führen die ForscherInnen Einzelzellsequenzierungen des Tumorgenoms (DNA) und parallel dazu auch Sequenzierungen des Transkriptoms durch. Das Transkriptom ist die Summe aller von der DNA in RNA umgeschriebenen und somit in der Tumorzelle aktivierten Gene. Damit prüft Lötsch-Gojo, welche Unterschiede die Sequenzierungsmuster (DNA und RNA) der TERT Promoter mutierten Glioblastomzellen im Vergleich zu Zellen mit nicht verändertem TERT Promoter (Wildtyp) aufweisen.