Tumoren haben unterschiedliche Strategien entwickelt, wie sie das Immunsystem austricksen können. Eine Methode ist, Immunzellen so zu beeinflussen, dass sie ihre Fähigkeiten in den Dienst der Krebszelle stellen. So können Tumorzellen beispielsweise Makrophagen, die Fresszellen des Immunsystems, so verändern, dass sie die Tumorzellen nicht mehr fressen und darüber hinaus auch noch Killer-T-Zellen, die die Tumorzellen töten würden, inaktivieren. Matthias Farlik-Födinger, Molekularbiologe an der Universitätsklinik für Dermatologie und Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) von MedUni Wien und AKH Wien, prüft in seinem Projekt, wie die Zellen in der Tumor-Mikroumgebung miteinander kommunizieren, also welche Signale und Signalwege involviert sind, sowie welche Zelltypen mit welchen anderen interagieren und möglicherweise Dritte beeinflussen. Die Ergebnisse könnten die Basis für neue Therapieansätze liefern.
Mit 4.900 Neuerkrankungen pro Jahr ist Darmkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung in Österreich. Viele Fälle werden erst entdeckt, wenn die Erkrankung bereits die Lymphknoten oder andere Organe befallen hat. Von den 25 Prozent der PatientInnen, die bereits mit einer metastasierten Darmkrebserkrankung diagnostiziert werden, überleben nur etwa 14 Prozent die ersten 5 Jahre trotz Therapie. Da die Therapieoptionen in diesem Stadium begrenzt sind, sind ForscherInnen weltweit auf der Suche nach neuen Strategien.
Matthias Farlik-Födinger beschäftigt sich intensiv mit einer speziellen Untergruppe des Dickdarmkrebses, dem sogenannten mikrosatellitenstabilen (MSS) Kolonkarzinom, das sich dadurch auszeichnet, dass nur wenige Gene mutiert sind. Sein Interesse gilt der Mikroumgebung des Tumors und somit den Zellen, die dort interagieren.
Vom Angreifer zum Diener
Tumorzellen sind in der Lage Makrophagen so umzupolen, dass sie ihre Funktion stoppen und darüber hinaus unterschiedliche Checkpoint-Moleküle ausbilden, also Rezeptoren, die an Killer-T-Zellen binden und diese damit inaktivieren.
Ein Therapieansatz ist, diese Checkpoints zu inhibieren, also zu hemmen, und somit die Killer-Zellen wieder zu aktivieren. Im ersten Teil des durch die CCC Forschungsförderung unterstützten Projekts ermittelt Farlik-Födinger nun, welche Checkpoints von Makrophagen ausgebildet werden und wie sie blockiert werden könnten.
Soziale Netzwerke der Zellen
Im zweiten Teil des Projektes vergleicht er die Zellen von Metastasen mit Zellen des Primums, also des Ausgangstumors, um festzustellen, ob und welche Gemeinsamkeiten es auf zellulärer Ebene gibt und ob sich daraus Mechanismen ableiten lassen, die für die Tumorentwicklung entscheidend sein könnten.
Außerdem untersucht er in einem selbst entwickelten Verfahren, wie Tumorzellen, Makrophagen und Killer T-Zellen (CD8+ T-Zellen) miteinander kommunizieren und wie sie sich beeinflussen. Farlik-Födinger: „Zellen im Tumorgeschehen entwickeln so etwas wie ein ‚soziales Netzwerk‘, in dem sie sich gegenseitig beeinflussen. Wir untersuchen hier, wie dieses Netzwerk aufgebaut ist und wie wir es stören könnten.“
Partnervermittlung für Zellen
Dafür hat er ein Gerät, das zur Anreicherung von im Blut zirkulierenden Tumorzellen konzipiert wurde, umfunktioniert, so dass es für Zell-Zell-Interaktionsstudien genutzt werden kann. Farlik-Födinger: „Man muss sich das ein bisschen wie in der Partnervermittlungs-Show ‚Herzblatt‘ vorstellen: Wir geben zwei oder mehrere Zelltypen in das Gerät, lassen einzelne Zellen kontrolliert und in bestimmter Reihenfolge miteinander interagieren und prüfen nach einiger Zeit, wie die Interaktion gelaufen ist und ob sie funktionelle Auswirkungen hatte.“
Was den Forscher besonders interessiert, ist, ob zum Beispiel ein im Tumor sozialisierter Makrophage eine T-Zelle, die nicht aus dem Tumorkontext kommt, ebenfalls beeinflussen kann, denn das würde einen Hinweis auf eine mögliche Therapiestrategie geben. Der Hintergrund für diesen Forschungsansatz sind zwei unterschiedliche Behandlungsansätze: Entweder man führt dem Tumor frische T-Zellen zu, die ihn bekämpfen. Das hat aber nur Sinn, wenn die T-Zellen nicht sofort von den tumor-assoziierten Makrophagen inaktiviert werden. Oder man richtet sich von Beginn an gegen die Makrophagen und re-programmiert oder tötet sie, damit sie die T-Zellen nicht inaktivieren können.